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  • carmenappenzeller

Zu Hause zwei Sprachen sprechen

Wie ihr hier nachlesen könnt, sprechen wir zu Hause zwei Sprachen: Deutsch und Japanisch. Das heißt: Emma spricht zwei Sprachen. Ich spreche nur Deutsch, Papa spricht mit Emma Japanisch und mit mir (meistens) Deutsch. Etwas komplizierter wird es, wenn noch Freunde und Familie hinzukommt. Wie wir unseren zweisprachigen Alltag seit ungefähr fünf Jahren meistern, welche Herausforderungen es gibt und ein paar Tipps lest ihr unten.


Vorab ein Hinweis, der natürlich für alles auf "Erzähl' mir eine Geschichte gilt": Die Inhalte sind in keiner Weise wissenschaftlich fundiert oder geprüft, sondern beruhen allein auf unseren Erfahrungen und persönlichen Einschätzungen. Ob das Beschriebene objektiv empfehlenswert oder gar zum Nachmachen geeignet ist, wissen wir nicht. Ich selbst finde es einfach immer interessant zu sehen, welche Lösungen andere finden - ich kann es ja dann trotzdem anders machen 🤔. Wir teilen also unseren Alltag, und ihr könnt euch euren Teil dazu denken. Anregungen, Vorschläge (und sogar Kritik! 😀) dürft ihr mir gern schreiben oder in den Kommentaren mit allen teilen.


"Und wie sprecht ihr zu Hause?"

Wie schon gesagt, sprechen Mama und Papa jeweils grundsätzlich nur in ihrer Muttersprache mit Emma (zu den Ausnahmen s. unten).

Würden wir das anders machen, würde Emma von mir falsches Japanisch und von ihrem Papa falsches Deutsch lernen - oder von uns beiden mittelgutes Englisch. Das hätte also keinen Vorteil für sie. Und für mich würde es sich seltsam anfühlen, mit meinem Kind nicht in meiner Muttersprache zu sprechen.


Anfangs hielt Emma sich da sehr strikt dran (obwohl das bei uns keine Verhaltensregel ist): Wenn sie etwas auf Japanisch nicht ausdrücken konnte, sagte sie es mir auf Deutsch und ich gab es Papa auf Deutsch weiter. Sie selbst hat es aber lieber gar nicht gesagt als mit Papa Deutsch zu sprechen 😅. Das ist mittlerweile nicht mehr so ausgeprägt, jetzt benutzt sie im japanischen Satz einfach das deutsche Wort, das geht schneller.


Essenzielle Voraussetzung für unsere Lösung ist, dass Mama und Papa die jeweils fremde Sprache so gut beherrschen, dass wir verstehen, was der andere gerade mit Emma bespricht. Das ist fett gedruckt, weil es für uns wirklich unverzichtbar ist, dass beide Elternteile wenigstens einigermaßen dem Gespräch des anderen mit dem Kind folgen können. Das ist nicht nur logistisch einfacher (dann weiß jeder, was gerade besprochen wurde ohne Übersetzung). Wenn ich kein Wort Japanisch verstehen könnte, würde ich mich immer ausgeschlossen fühlen, wenn Papa und Emma sich unterhalten.


Wenn andere dabei sind

Wenn andere dabei sind, wird es natürlich komplizierter. Denn von unseren Dreier-Gesprächen verstehen z.B. die Großeltern nur jeweils die Hälfte.


Familienbesuch ist also die wichtigste Ausnahme von dem oben beschriebenen "Jeder-spricht-nur-seine-Sprache"-Grundsatz. Wenn wir mit den japanischen Großeltern zusammen sind, spreche ich auch mit Emma im Rahmen meiner Möglichkeiten Japanisch (sie antwortet dann trotzdem meistens auf Deutsch...), weil es für Außenstehende nicht schön ist, wenn sie nicht verstehen, was gesagt wird.


Bei Freunden halten wir es ähnlich: Verstehen alle Deutsch und Japanisch, bleibt es beim Mix. Anderenfalls muss entweder Mama oder Papa in die Fremdsprache wechseln.


Wenn ich mit Emma in Japan unterwegs bin, sprechen wir hingegen immer Deutsch. Das ist für die Umstehenden seltsam und befremdlich - verständlicherweise, denn sie verstehen ja kein Wort. Bei in Deutschland lebenden Ausländern wird das ja oft kritisiert oder sogar angeprangert (jedenfalls wenn es keine positiv besetzte Sprache wie Englisch oder Französisch ist). Ich habe aber beschlossen, dass wir bewusst unseren Kulturmix leben, auch wenn die Umwelt natürlich nur aus einer der beiden Kulturen besteht. Dabei hilft ungemein, dass Japaner oft ein sehr positives Deutschlandbild haben und es mittlerweile als überaus wünschenswert angesehen wird, ein Kind zweisprachig zu erziehen. Zugegebenermaßen denken allerdings die meisten, wir würden Englisch reden.


Das mag Emma allerdings überhaupt nicht: Wenn jemand Englisch spricht und sie nichts versteht! 😆


Sprechen lernen mit zwei Sprachen

Ich habe öfter die Ansicht gehört, dass Kinder quasi von allein die Sprache(n) lernen, die sie um sich herum hören. Das kann ich aus unserer Erfahrung gar nicht bestätigen. Sprechen muss gelehrt werden, das ist meiner Meinung nach bei kleinen Kindern nicht anders als bei älteren oder Erwachsenen. Ich finde sogar die Methoden gleich, natürlich kindgerecht angepasst. Während beim Lernen einer Fremdsprache ein ungekanntes Wort einfach in die bekannte Sprache übersetzt wird, muss für Kinder als Referenz ein Bild, eine Erklärung, Mimik, Gestik, etc. eingesetzt werden. Das ist auch bei einsprachig aufwachsenden Kindern so. Ich würde aber empfehlen, bei bilingualen Kindern nach Möglichkeit darauf zu achten, dass beide Sprachen gleich intensiv und auf die gleiche Weise beigebracht werden.


Soweit meine Theorie, jetzt zur Praxis: Als Emma ca. eineinhalb war, kamen wir nach Japan, dicht gefolgt von Corona. Deshalb war ich über ein Jahr die Einzige, die mit Emma Deutsch gesprochen hat, alles andere (anwesende Familie, Umwelt, Krippe) war auf Japanisch. Weil ich Sorge hatte, ob sie so überhaupt Deutsch sprechen lernt, habe ich besonders auf's Deutschsprechen geachtet. Außerdem bin ich parallel in die Japanischschule gegangen und habe deshalb selbst (nochmal) erfahren, wie es ist, eine Sprache zu lernen.


Ich würde sagen, Emma hat durchschnittlich sprechen gelernt, also nicht besonders spät, wie man oft hört - wobei ich natürlich nicht weiß, ob das Timing mit nur einer Sprache anders gewesen wäre. Von Anfang an hat sie die Sprachen nie vermischt - vielleicht, weil wir jeweils auch nicht "gemischt" mit ihr gesprochen haben. Auch von Anfang an hat sie Bücher und Gespräche aber vor allem mit mir auf Deutsch geschaut/geführt. Japanisch hat sie hauptsächlich in der Krippe mitbekommen. Ich denke, das ist der Grund, warum sie mit ungefähr drei Jahren schon ziemlich komplexe Gespräche auf Deutsch führen konnte, auf Japanisch aber auf Beschreibungen/Aufforderungen in Alltagssituationen beschränkt war. Seit sie drei ist, geht sie in einen deutschsprachigen Kindergarten, wodurch sich die Schere zwischen Deutsch und Japanisch natürlich weiter geöffnet hat. Mittlerweile versuche ich eher, sie beim Japanisch Sprechen zu unterstützen 😅


Wann sollte man mit der Zweisprachigkeit beginnen?

Bei uns ging das so: Ihr erstes Lebensjahr hat Emma in Brüssel verbracht, wo Deutsch, Japanisch, Französisch und Dänisch mit ihr gesprochen wurde. Von den beiden letzteren Sprachen sind keine Spuren mehr feststellbar. Wir haben also von Anfang an mehr als eine Sprache gehabt. Ich denke aber, das ist nicht zwingend und man kann die Zweitsprache auch später dazunehmen. Denn ein Riesenunterschied zwischen Kindern und Erwachsenen: die Geschwindigkeit, mit der Kinder lernen.


Dazu eine Anekdote: Mit zweieinhalb Jahren war Emma mit mir für vier Wochen zu Besuch in Deutschland, danach verbrachten wir beide zwei Wochen in Corona-Reise-Quarantäne. Und nachdem sie sechs Wochen lang nur Deutsch gehört und gesprochen hatte, kehrte sie in die japanische Krippe zurück und sagte kein Wort mehr auf Japanisch. Verstanden hat sie es wohl noch, aber sie konnte es nicht mehr sprechen. Ich dachte, das kehrt nach 3 Tagen zurück. Doch sie hat das Japanisch Sprechen scheinbar fast neu lernen müssen - was aber auch nur gut sechs Wochen gedauert hat. Netterweise haben die Erzieher versucht zu googeln, was Emma ihnen auf Deutsch so erzählt hat 😅


Ich fand das ganze jedenfalls total faszinierend (Papa war zutiefst erschrocken), weil es zeigt, wie schnell der Spracherwerb, aber auch der Verlust gehen. Wahrscheinlich lag das auch daran, dass gerade zu der Zeit Emmas Gehirn dabei war, sicher und fließend sprechen zu lernen - da wurde die gerade nicht benötigte Sprache kurzerhand rausgeworfen, damit die andere sich schneller festigen konnte.


Gibt es immer eine stärkere Sprache?

Ich habe mal gelesen, dass bei bilingualen Menschen immer eine die stärkere und die andere die schwächere Sprache ist. Bei Emma ist es tatsächlich so. Ob sich das aber verallgemeinern lässt, weiß ich nicht. Das hängt sicher sehr von den Umständen ab (Umwelt vs. Familiensprache, welches Elternteil spricht mehr, Sprachförderung, etc.).


Wir sind eher atypisch, weil die Umgebungssprache nicht die stärkere Sprache ist, und das schon vor dem deutschen Kindergarten. Das ist sicher öfter umgekehrt. Ich denke, wenn Emma Japanisch so systematisch beigebracht worden wäre wie Deutsch, wäre jedenfalls der Abstand geringer. Das Fernziel ist jedenfalls, dass sich Emma als Erwachsene so gut auf Japanisch ausdrücken kann wie auf Deutsch. In 15 Jahren sage ich Bescheid, ob das geklappt hat.😀


Meine persönliche Schlussfolgerung: Die Eltern haben es in der Hand, wie ausgewogen die Zweisprachigkeit gelingt. Mühelos ist das nicht!


Wie kann ich die schwächere Sprache fördern?

Deshalb steht auf meiner to-do-Liste jetzt nicht mehr "Deutsch beibringen" ganz oben, sondern "Japanisch fördern".


Eine Schwierigkeit, auf die wir dabei stoßen: mangelnde Akzeptanz. Emma wirkt sehr unzufrieden, wenn sie merkt, dass sie auf Japanisch etwas nicht sagen kann, was sie auf Deutsch mühelos ausdrücken könnte. Noch schlimmer ist es, wenn jemand sagt "Hi, how are you?". Mir ging es beim Japanisch Lernen ähnlich - ich hatte in meinem Leben schon so viel gelernt, warum sollte ich jetzt nochmal bei Null anfangen?! Mittlerweile drückt sich Emma gern um Situationen, in denen sie auf Japanisch kommunizieren müsste ("Ich kann nur mit Kindern auf Deutsch spielen"). Wenn wir es also zu plump darauf anlegen "jetzt wird Japanisch gelernt", lehnt Emma das ab.


Also muss der Ansatz etwas tiefer durchdacht sein. Sprache ist ein Werkzeug, das die Interaktion mit anderen ermöglicht. Der größte Anreiz zum Spracherwerb ist also, wenn sie die Sprache braucht, weil sie unbedingt mit jemandem kommunizieren will. Das kann die japanische Familie sein, die (anders als Papa) kein Wort Deutsch versteht. Im letzten Urlaub hat sie eine kleine Australierin zur Freundin auserkoren, und da war auch plötzlich die Scheu vor Englisch weg ("Wie frage ich die auf Englisch, wie sie heißt?!")


Wie wir diese Erkenntnis am besten im Alltag umsetzen, probieren wir gerade aus. Hier eine nicht vollständige Liste unserer Ideen:

  • Japanische Familie spricht mit Emma: Da Emma mit Großeltern, Onkel etc. kommunizieren will, klappt das sehr gut. 🟢

  • Freunde sprechen mit Emma: Sie hat nicht so viele Freunde, mit denen sie Japanisch spricht und sie möchte auch nicht gern Japanisch sprechende Kinder kennen lernen (zu anstrengend). Es ist auch nicht üblich, sich spontan auf dem Spielplatz anzufreunden, zumal wenn die japanischen Kinder Emma Deutsch sprechen hören und sie nicht verstehen.🟡

  • Hobbies. Da Emma jetzt alt genug ist, ein paar Hobbies auszuprobieren, schauen wir uns nach Sport-/Musikangeboten in der Umgebung um, wo sie mit Gleichaltrigen zusammenkommt. Mal sehen, ob sie dranbleibt und ob das auch was für's Japanisch bringt.🟡

  • Unterricht. Ich habe Emma meine Japanischlehrerin empfohlen, aber sie wollte lieber im Kindergarten spielen.😂 Es gibt in Japan (für japanische Kinder) schon ab 3 Jahren eine Art Nachhilfeschule, wo Schreiben und Rechnen geübt wird. Falls Emma Lust hat, will Papa das gern mit ihr ausprobieren. Später wird sie etwas ähnliches sicher einmal machen (müssen), sonst lernt sie die japanischen Schriftzeichen nicht ausreichend. Aber jetzt ist das aus meiner Sicht noch nichts. 🔴

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